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Dunkelheit erwünscht

Ungeduldig warte ich auf die Dunkelheit. Es ist Januar.Bei Einbruch der Dämmerung soll das Parkleuchten im Grugapark in Essen beginnen. Wir ergattern einen Parkplatz vor dem Messegelände. Warm eingepackt streben wir zum Eingang, wo schon  Menschen aller Altersstufen auf den Einlass warten. Eine Unternehmung im Januar, die nicht in dem spärlich bemessenen Tageslicht stattfindet, ist mal etwas anderes, dachte ich mir.

Viel sehe ich nicht. Der etwas abschüssige Weg ist gerade so zu erkenne. Ich hoffe, dass ich keine Stufen oder andere Hindernisse übersehe in der Dunkelheit. Wie erwartet zeigen sich einige angestrahlte Skulpturen. Ganz nett, denke ich. Ich sehe eine Leinwand, die bestrahlt wird. Was ist der Sinn? Ah, jetzt verstehe ich. Im Lichtstrahl finden sich Menschen als Schatten auf dieser Leinwand wieder. Paare, die sich küssen, Kinder, die sich bekämpfen. Ich gehe weiter und sehe bühnenhafte Posen als Schatten mit einfarbigem Hintergrund. Ich sehe, riesige, sich gruppierende Schlüssel aus Licht. Grünes Geäst zeigt sich am Wegesrand. Kleine bewegliche Objekte spiegeln sich träge auf einer Wasserfläche. In Reihe stehende Frösche schauen mit ihren Ferngläsern auf das Firmament. Eine Tanzgruppe als gestreifte Dreiecke begegnen mir.

Immer weiter gerate ich in diese magische Welt. Ich höre Menschen murmeln, Kinder sprechen, nichts ist laut. Die schwarzen Silhouetten sind BesucherInnen des Parkleuchtens. Meine Begleiter erkenne ich nur am Gang und an ihren Gewohnheiten. Einer ist mir immer einige Meter voraus und steht am Wegrand rechts. Ich denke bei jeder Suche: “ von der Größe her müsste er es sein“. Der andere steuert immer in einer bestimmten Geschwindigkeit auf mich zu. Wie erkennt er mich eigentlich? Handydisplays sehe ich kaum, da ich immer hinter den Menschen laufe. Und plötzlich in der Ferne: ein Zauberhaus. Es ist das bekannte Hundertwasserhaus im Grugapark. Unscharfe Konturen des Hauses, ein Zwiebelturm, Bogenfenster, warmbeige Fassaden, Verbindungslinien zwischen den Fenstern. Als ob das Haus für die Lichtkunst gemacht wäre.

Mittlerweile meine ich zu schreiten und nicht zu gehen.  Vorbei an gletscherfarbenen Quadern, an Schatten, deren Konturen von Spektralfarben wiederholt werden, vorbei an wandernden Lichtern in einem Baum. Wir wandern durch eine vielfarbige Baumallee und werden angezogen von einer in der Ferne  funkelnden Wand. Und dann das: Figuren in blau-türkis schillernden Gewändern, eingehüllt von aufsteigendem Nebel. Zaubergestalten. Die Kinder diskutieren, wer diese Wesen sein könnten. Mich interessiert es nicht, ich sehe sie einfach nur an und denke, ohne Dunkelheit geht das nicht.

Wer geht schon an einem kalten Januarabend freiwillig in die Dunkelheit? Um das Parkleuchten zu sehen gehen wir gerne in die Dunkelheit. Ich bin froh, nicht alles zu sehen. Ich will keine kahlen Bäume, sehen, keine leeren Beete,  keine Kabel, keine Beamer, keine Vorrichtungen für die Lichtkunst. Ich lasse mich ziehen von der Magie der Lichtfiguren, der Lichtobjekte, der Schatten vor den Hintergrundlichtern. Ich werde begleitet durch das Murmeln der  fast unsichtbaren Menschen um mich herum, das Summen des fernen Verkehrs und der fernen Sirenen der Ambulanzfahrzeuge auf dem Weg zur nahegelegenen Universitätsklinik.Die Lichtkunst braucht die Dunkelheit. Es waren zwei wunderbare Winterstunden im Grugapark Essen. CATHERINA STAUCH

Lichtinstallationen von Wolfgang Flammersfeld und Reinhard Hartleif: www.world-of-lights.de

Photo von Catherina Stauch mit Genehmigung von world of lights